Aus aller Welt

Tanz auf dem Grab

Neulich war ich auf eine Feier in Frankfurt am Main eingeladen. Die Gäste lachten, aßen und tranken. Sie tanzten, bis der DJ um 6 Uhr den Lautsprechern den Saft abdrehte.

Es handelte sich um eine Trauerfeier.

Und schon saß der Kulturschock bei mir tief – und dass in meiner eigenen Heimatstadt. Die Beerdigungen, die ich kenne, sind leise, traurig und den Angehörigen sowie engeren Bekannten vorbehalten. Diesmal war es anders: die meisten der Besucher dürften den Verstorbenen, der bis zu seinem Alterstod in Ghana lebte, nicht einmal gekannt haben. Einige waren nicht einmal mit der Tochter, die die Feier organisiert hatte, vertraut. Eine Gästeliste gab es nicht.

Auch in anderen Kulturen gibt es aus europäischer Sicht merkwürdige Beerdigungstraditionen. So erzählte mir ein Freund aus Sri Lanka, in seinem Heimatdorf würden die Toten für einige Tage im Garten aufgebahrt. Die ganze Dorfgemeinschaft kommt dann vorbei, um Abschied zu nehmen. Und in Montenegro gibt es noch heute professionelle Klageweiber, die für ein Entgelt tagelang lauthals über den Tod des Verstorbenen klagen. Auch das will sogar nicht zur deutschen Mentalität passen, wo Trauer immer etwas sehr privates und vor allem andächtiges ist.

Ich könnte mir nicht vorstellen, beim Tod eines geliebten Menschen eine große Party zu organisieren. Aber vielleicht ist es gerade die Gemeinschaft, die einem dann über die traurigen Stunden hinweghilft.

Natürlich sind auch die Angehörigen des Mannes aus Ghana traurig über seinen Tod. Die Feier dient dazu, Geld für die Hinterbliebenen zu sammeln. Und gefeiert wird nicht das Sterben, sondern das Glück des Mannes 82 Jahre auf dieser Erde leben zu dürfen.

Alles eine Frage der Perspektive.

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