Aus aller Welt

Das Jerusalem Syndrom

Reisefieber und Fernweh sind keine Krankheiten – sie können aber zu psychosomatischen Störungen führen. Dann nämlich, wenn Touristen in der mystischen Atmosphäre Israels vom Jerusalem Syndrom befallen werden. In einem Anfall  religiöser Ekstase halten sie sich plötzlich selbst für den Messias.

Urlaubsgebiete sind oft Sehnsuchtsorte. Sie werden nicht nur in den Hochglanzprospekten der Reiseunternehmen, sondern auch in der Literatur, in der Musik und in den Erinnerungen der Reisenden verklärt und romantisch erhöht. Die Orte, die wir bereisen, kennen wir deshalb längst von Fotos, aus Film oder Fernsehen. Oft haben wir lange davon geträumt an genau diesen Ort zu reisen, haben lange darauf hingefiebert. Endlich dort zu sein, versetzt manche Touristen in eine solche Aufregung, dass sie vorübergehend tatsächlich den Verstand verlieren. Die bekanntesten dieser Phänomene sind das Jerusalem Syndrom, das Paris Syndrom und das Florenz Syndrom.

Jerusalem Syndrom (Messias Syndrom)

jerusalem

Foto: Beatrice Tzschentke

Jerusalem ist das Zentrum von gleich drei Weltreligionen. Touristen zieht es deshalb oft aus religiösem Interesse in die Stadt. Die geschichtsträchtigen Schauplätze und mystische Atmosphäre der Stadt führt jedoch dazu, dass einige Besucher von einer vorübergehenden psychosomatischen Störung, dem sogenannten Jerusalem Syndrom, befallen werden. Die Betroffenen halten sich dann selbst für eine Figur aus dem Alten oder Neuen Testament – einige legen sogar ihre Kleider ab um sich wie in alten Zeiten in weite Gewänder oder gar Bettlaken zu kleiden. Etwa 100 Touristen jährlich sollen von dem Syndrom betroffen sein.

Paris Syndrom

Foto: JAc 82 (CC BY 2.0)

Foto: JAc 82 (CC BY 2.0)

Paris gilt weltweit als einer der romantischsten Orte des Planeten. Besonders in den USA oder Asien glaubt man, in Paris nichts als Liebe, Eleganz und verträumte Menschen zu treffen. Angeheizt werden solche Vorstellungen von Filmen wie „Die fabelhafte Welt der Amélie“ oder „Midnight in Paris“. Die Realität sieht anders aus: Paris kann arrogant sein, dreckig und laut. Besonders japanische Touristen werden deshalb manchmal von dem Paris Syndrom befallen, auf Japanisch sagt man パリ症候群. Weil sie mit der Enttäuschung den vermeintlich letzten heilen Ort der Welt als profane Großstadt zu erkennen nicht zurecht kommen, haben sie mit Angstzuständen oder Wahnvorstellungen zu kämpfen. Die Patienten werden meist mit einem einfachen Mittel geheilt: Der Heimreise.  

Florenz Syndrom (Stendhal Syndrom)

Foto: Martin Holland_(CC BY 2.0)

Foto: Martin Holland_(CC BY 2.0)

Als kulturelles und künstlerisches Zentrum hat Florenz große Persönlichkeiten wie Leonardo Da Vinci oder Dante Alighieri hervorgebracht. Noch heute beherbergt die Stadt mit den Uffizien die wichtigste Kunstsammlung des Landes. Einige kultivierte Besucher geraten beim Anblick von Michelangelos David und anderen wichtigen Kunstwerken derart in Ekstase, dass sie in Ohnmacht fallen, halluzinieren oder in Allmachtsphantasien verfallen. Das Florenz Syndrom ist auch als Stendhal Syndrom bekannt – benannt nach dem französischen Schriftsteller Henri Stendhal, der 1817 in seinen Reiseskizzen Wahnzustände in Florenz vermerkte.

© OpenStreetMap-Mitwirkende CC BY-SA

© OpenStreetMap-Mitwirkende CC BY-SA

Jerusalem: Israels Hauptstadt gilt bei Juden, Christen und Muslimen als religiöses Zentrum. Unter anderem soll Jesus hier gekreuzigt worden sein.

Paris: Die Hauptstadt von Frankreich wird seit jeher gerne romantisch verklärt.

Florenz: Italiens Stadt in der Toskana ist seit Jahrhunderten Sitz von Macht, Kunst und Kultur. 

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